Depression


Was ist eine Depression?

Depressionen sind charakterisiert durch Zustände tiefer, andauernder Niedergeschlagenheit,

innere Leere, leblosigkeit, durch irrationale Selbstvorwürfe, Existenzängste, Vernichtungsgefühle,

Selbstmordgedanken, durch Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder bestimmte körperliche

Symptome. Im Allgemeinen wird zwischen endogener und neurotischer Depression unterschieden.

Für die Entstehung der endogenen Depression wird eher eine körperliche Ursache angenommen. 

Bei der neurotischen Depression werden ungelöste psychische Konflikte als Grundlage vermutet.

Durchschnittlich leidet jede sechste Person irgendwann an einer depressiven Störung, Frauen etwa

doppelt so häufig wie Männer. Eine echte Depression entwickeln 19 Prozent der Frauen und 

zwölf Prozent der Männer. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass die Krankheit

künftig den häufigsten Grund für Frühpensionierungen darstellt. Im Alter steigt die Zahl der Depressionen: 20 Prozent der Menschen über 65 sind depressiv. Unterschätzt wird außerdem, dass auch Kinder schon depressiv sein können. Etwa die Hälfte der Betroffenen wird innerhalb der ersten drei Monate wieder gesund, bei einem Viertel kann es über ein Jahr dauern. 70 Prozent der Neuerkrankten durchleben im späteren Leben weitere Phasen mit Depressionen. Sobald die Lebensqualität durch depressive Symptome beeinträchtigt wird, ist professionelle Hilfe mit Medikamenten zu empfehlen ­ es sollte nicht gewartet werden,  bis Selbstmordgedanken auftauchen.

Gibt es Maßnahmen der Vorbeugung oder Früherkennung?

Ein vorbeugendes Mittel gegen Depressionen ist regelmäßige Bewegung im Freien. Hier wirken zwei

Faktoren: die Bewegung selbst und das Tageslicht. Sonne tut zwar besonders gut, aber auch durch die

Wolkendecke fällt tagsüber genug Licht. Schon zehn Minuten täglich im Freien tun gut.

Natürlich sind Schicksalsschläge schwer zu verkraften, und Trauer ist ein wichtiger Prozess, dem

genügend Zeit eingeräumt werden muss. Doch wenn das Leben als Ganzes durch einen Verlust oder

Schicksalsschlag in Frage gestellt wird, ist es Zeit, Hilfe zu suchen. Wer das Leben oft als grau und leer

empfindet, häufig traurig ist oder über einen Schicksalsschlag lange Zeit nicht hinwegkommt, kann mit

psychologischer Unterstützung versuchen, eine Umkehr zu mehr Lebensfreude zu schaffen.

Gegen endogene Depressionen ist derzeit keine Vorbeugung bekannt. Schon bei leichten Depressionen ist es sinnvoll, den Hausarzt/die Hausärztin aufzusuchen und mit einer Therapie zu beginnen: Je früher die Behandlung ansetzt, umso besser sind die Heilungschancen.

Welche Ursachen kann eine Depression haben?

Fast alle Menschen sind hin und wieder deprimiert oder depressiv. Die Auslöser von Stimmungstiefs sind vielfältig und müssen gar nicht immer einschneidende Erlebnisse wie der Verlust der Arbeit, eine Trennung oder ein Trauerfall sein. Auch körperliche oder geistige Über­ oder Unterforderung oder einfach zu wenig Licht und Sonnenschein im Winter können depressive Verstimmungen auslösen.

Der Übergang von einer solchen vorübergehenden Befindlichkeitsstörung zur medizinischen

Funktionsstörung ist oft fließend und schwer festzumachen. Doch im Gegensatz zum seelischen Problem, mit dem das Leben trotzdem noch bewältigt wird, beeinträchtigen Depressionen den Menschen in allen Aspekten: Denken, Fühlen und Handeln verändern sich, die körperliche Gesundheit lässt nach, ein normales Leben wird unmöglich. Zur Entstehung der Depression gibt es verschiedenste Theorien. Im Allgemeinen wird heute von einer Wechselwirkung und gegenseitigen Verstärkung verschiedener Bereiche ausgegangen. Dazu gehören:

  • Biologisch­genetische Faktoren: In Familien mit depressiven Mitgliedern kommt es deutlich öfter zu weiteren Krankheitsfällen. Die Tendenz kann sich über die Generationen verstärken.
  • Körperliche Faktoren: Im Gehirn von Depressiven wird zu wenig der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin ausgeschüttet, die für die Kommunikation der Nervenzellen zuständig sind. Es gibt auch Krankheiten, die Depressionen begünstigen, wie Schilddrüsenfunktionsstörungen oder die Parkinson­ Krankheit. Eine mögliche Erklärung dafür, dass Frauen häufiger erkranken, ist der Hormonhaushalt. Besonders bekannt sind depressive Verstimmungen vor der Menstruation oder kurz nach der Entbindung im Wochenbett.
  • Das Umfeld: Bei etwa einem Drittel der Betroffenen geht der Erkrankung ein belastendes Lebensereignis voran. Dazu gehören Probleme oder Überlastung in Familie und Beruf ­ immer häufiger werden Auslöser wie Probleme am Arbeitsplatz, finanzielle Nöte, Verlust oder Tod eines geliebten Menschen oder neue Lebensphasen wie die Rente.
  • Frühe Erfahrungen: Psychologische Modelle sehen eine Depression als mögliche Reaktion auf früh erlernte Verhaltensmuster. Besonders gefährdet sind Menschen, die sich nicht als aktive Gestalter ihres Lebens sehen. Das erklärt auch den höheren Depressionsanteil bei Frauen, die zum Beispiel nach wie vor viel öfter weisungsgebundenen Tätigkeiten nachgehen.
  • Psychische Konflikte: Bei der neurotischen Depression werden ungelöste psychische Konflikte als Ursache vermutet.
  • Mangel an Licht: Die weniger schwere saisonabhängige Depression wird durch einen Mangel an Sonne und Licht hervorgerufen oder verstärkt.

Viele Depressive haben schon vor der Krankheit ein pessimistisches Weltbild. Während sie Erfolge

oftmals dem Glück oder dem Zufall zuschreiben, machen sie sich selbst gern für Misserfolge verantwortlich und interpretieren Situationen ungünstig. Viele sind auch überdurchschnittlich leistungsorientiert, streng mit sich selbst und besonders verantwortungsbewusst. Ein erhöhtes Risiko für Depressionen haben

  • Alleinstehende und Menschen ohne soziale Unterstützung, etwa ältere Menschen, aber auch Frauen, die in der Ehe Doppel­ und Dreifachbelastungen ausgesetzt sind.
  • Personen, die auch an anderen psychischen Krankheiten wie der Alkoholkrankheit, Drogensucht, Angsterkrankungen oder Essstörungen leiden. Umgekehrt begünstigen Depressionen die Entstehung solcher Erkrankungen.

Manche Medikamente oder deren Entzug können schwere Depressionen auslösen.  

Welche Beschwerden können auftreten?

Depressive Menschen fühlen sich meist traurig, kraftlos, passiv und ohne Wert. Ihnen fällt keine Handlung und keine Entscheidung leicht ­ manche können nur noch schwer sprechen, denken oder sich erinnern und verlieren das Interesse an Vorgängen um sie herum. Viele beginnen sich vor Situationen zu fürchten, die früher problemlos bewältigt wurden. Häufig kommen auch Zukunfts­ und Existenzängste vor. Der Körper reagiert mit Schlafstörungen, verstärkten Schmerzen wie Rücken­ oder Kopfschmerzen und Verdauungsproblemen. Der Appetit und die Lust auf Sex gehen verloren. Hoffnungslosigkeit, Antriebsschwäche und Ängstlichkeit führen dazu, dass sich die Betroffenen aus ihrer Umgebung zurückziehen. Häufig wird über Tod und Sterben nachgedacht ­ Selbstmord wird zum Thema. Vor allem bei endogenen Depressionen leiden Patienten morgens oft unter Mundtrockenheit. Die Stimmung ist am Morgen am schlechtesten und bessert sich erst im Laufe des Tages. Viele Patientenberichten, dass es ihnen nach Einbruch der Dunkelheit besser geht. In besonders schweren Fällen kann es auch zu depressiven Wahnvorstellungen kommen. Depressionen verringern allgemein die Immunabwehr des Körpers. Ohne Behandlung besteht hohe Selbstmordgefahr – ein Großteil aller Suizide geht auf depressive Erkrankungen zurück. Etwa die Hälfte unternimmt im Laufe des Lebens einen Selbstmordversuch. Männer gehen dabei radikaler vor. Bei Selbstmord kommen vier Männer auf eine Frau. Alle, auch missglückte Selbstmordversuche, müssen sehr ernst genommen werden!

Wie wird die Diagnose gestellt?

Von einer behandlungsbedürftigen Depression wird gesprochen, wenn die gedrückte Stimmung

mindestens zwei Wochen lang andauert und mehrere der folgenden Symptome zutreffen:

  • Die Verstimmung ist stärker als sonst, verschwindet praktisch nicht mehr und wird auch durch äußere Umstände kaum beeinflusst.
  • Das Interesse und die Freude an Aktivitäten, die sonst Spaß gemacht haben, geht verloren.
  • Es fällt schwer, "in die Gänge" zu kommen. Die Betroffenen fühlen sich kraftlos und müde, oft fehlt sogar die Energie, das Bett zu verlassen.
  • Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sind stark angeschlagen.
  • Grundlose Selbstvorwürfe oder unangemessene, ausgeprägte Schuldgefühle nehmen überhand.
  • Die Gedanken kreisen immer wieder um Tod oder Selbstmord. Manchmal werden sogar erste Schritte in diese Richtung unternommen.
  • Denken, sich konzentrieren, sich erinnern oder Entscheidungen treffen fällt schwer.
  • Die Betroffenen sind besonders nervös, unruhig und können nicht still sitzen; alternativ bewegen sie sich kaum.
  • Es kommt zu Schlafstörungen.
  • Der Appetit geht verloren oder wird übergroß, sodass sich das Gewicht verändert.
  • Depressive Männer äußern ihre Depressionen im Unterschied zu Frauen öfter in starker Reizbarkeit und Aggressivität.

Leichte Depression

Zumindest zwei der ersten drei Symptome und mindestens zwei weitere Symptome treffen zu.

Notwendiges zu erledigen kostet große Anstrengung.

Mittelschwere Depression

Zumindest zwei der ersten drei Symptome und mindestens vier weitere Symptome treffen zu. Die

Beschwerden halten die Betroffenen davon ab, Notwendiges zu erledigen.

Schwere Depression

Die ersten drei und mindestens fünf weitere Symptome treffen zu. Es ist dadurch fast nie oder gar nicht mehr möglich, den Alltag zu bewältigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Um akute Symptome zu mildern und Rückfälle zu vermeiden, werden meist Medikamente empfohlen.

Sobald sich die Stimmung verbessert hat ("Erhaltungstherapie") sind die Therapieerfolge aber besser,

wenn parallel dazu eine Psychotherapie gemacht wird. In einer akuten Depressionsphase hat

Psychotherapie allein keinen Erfolg. 


Medikamente

Eine enge Zusammenarbeit mit Fachärzten ist bei schwereren Depressionen besonders wichtig, um

festzustellen, ob und welche Mittel im Einzelfall wirken, Nebenwirkungen gering zu halten und bei Bedarf auf ein anderes Mittel umzusteigen. Der Wechsel eines Präparats kann angezeigt sein, wenn auch nach mehreren Wochen keine Besserung erfolgt. Jede Änderung der Dosis, der Art des Medikaments, der Häufigkeit oder Uhrzeit der Einnahme muss gemeinsam mit dem Arzt erfolgen.

Auch wenn sich die Stimmung verbessert hat, müssen die Mittel weiter genommen werden. Ein

plötzliches Absetzen kann einen ­ oft schwereren ­ Rückfall bewirken. Dies betrifft in hohem Maße

endogene Depressionen. Es gibt heute eine Reihe von Medikamenten, die nicht süchtig machen.

Relativ wenige Nebenwirkungen haben die modernen Serotonin­ und Serotonin­Noradrenalin­

Wiederaufnahmehemmer oder selektiven MAO­Hemmer. Bei Nicht­Ansprechen kann es trotzdem sinnvoll sein, mit den älteren Mitteln ­ trizyklischen oder tetrazyklischen Antidepressiva ­ zu beginnen.

Bei wiederkehrenden Krankheitsphasen oder großer Selbstmordgefahr wird manchmal Lithium oder

Carbamazepin verschrieben. Lithium erfordert eine regelmäßige Kontrolle des Lithiumspiegels im Blut. Damit es nicht zu Vergiftungen kommen kann, sollten diese Termine unbedingt eingehalten werden! Andere, seltener eingesetzte Mittel sind Valproinsäure, Oxacarbamazepin und Lamotrigin.

Bei zusätzlichen Wahnvorstellungen, kann eine Kombination aus Antidepressiva und einem Neuroleptikum helfen. Bei hartnäckigen Schlafstörungen und Angstattacken kann die Therapie durch angstlösende Substanzen (Anxiolytika) und Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) ergänzt werden. Sie sollten wegen der hohen Suchtgefahr allerdings nur ein paar Wochen lang eingesetzt werden.

Johanniskraut in konzentrierter Form ist ein nachgewiesen wirksames natürliches Heilmittel, das allerdings nicht zu verharmlosen ist! Es kann zusammen mit zahlreichen Medikamenten wie Herzmitteln, hormonellen Verhütungsmitteln oder Epilepsiemedikamenten zu ungünstigen Wechselwirkungen führen und sollte immer in Absprache mit dem Arzt eingesetzt werden. Johanniskrauttee allein wirkt nicht gegen Depressionen.


Psychotherapie

Nicht jede Therapiemethode ist für alle gleich gut geeignet; es kann einige Zeit dauern, bis die richtige

Methode gefunden wird.

  • Die kognitive Verhaltenstherapie arbeitet an Denk­ und Handlungsmustern, um negative Realitäts­ und Selbstbewertungen zu verändern und die Aktivität zu steigern.
  • Familientherapeutische Ansätze beschäftigen sich mit Kommunikationsmustern in der Familie und dem sozialen Umfeld.
  • Tiefenpsychologische Verfahren versuchen, frühen seelischen Verletzungen und Konflikten auf die Spur zu kommen.
  • Auch Gesprächstherapien oder nonverbale Verfahren (zum Beispiel Körper­ oder Kunsttherapie) kommen in Betracht.

Bewegung und Licht

Bei saisonbedingten sowie leichten Depressionen kann ein Bewegungsprogramm Wunder wirken. Bewährt hat sich ein täglicher, flotter Spaziergang bei Tageslicht für mindestens eine Stunde.

Eine andere Methode, um in der kalten Jahreszeit an genügend Licht zu kommen, ist die Foto­

beziehungsweise Lichttherapie mit einem speziellen, dem Sonnenlicht nachempfundenen Kunstlicht. Die Lampen haben keinen Bräunungseffekt. 

 

Ergänzende Maßnahmen

Lichttherapie erzielt bei saisonalen Erkrankungen gute Effekte. Bei sehr schweren Depressionen, bei denen kein Medikament geholfen hat, kann eine Elektrokrampftherapie versucht und bei Erfolg regelmäßig angewandt werden. Sie wird unter Vollnarkose und mit Muskel entspannenden Mitteln zur Schmerzbekämpfung durchgeführt.

Was können Angehörige tun?

Oft bemerken Familienangehörige oder enge Freunde die Symptome einer Depression frühzeitig, etwa weil die Betroffenen häufig weinen, am Morgen nicht aufstehen können oder in Hoffnungslosigkeit versinken. Der Umgang mit dieser Situation kann schwierig und mühevoll sein.

Wichtig ist, sich klar zu machen, dass sich die Betroffenen nicht einfach zusammennehmen können, um die Situation zu verbessern, sondern dass sie an einer ernst zu nehmenden Krankheit leiden, die behandelt werden muss. Gerade hier kann die unmittelbare Umgebung positiv auf die Erkrankten einwirken: indem sie hinsieht, die Symptome ernst nimmt, die Betroffenen zu sportlichen Aktivitäten animiert und bei Bedarf auf eine Therapie drängt. Manchmal ist hier Fingerspitzengefühl erforderlich. Zu großer Druck und Ungeduld können die Betroffenen noch mehr in den Rückzug drängen, zu viel Rücksichtnahme macht ihnen vielleicht die Dringlichkeit einer Behandlung nicht deutlich.

Wer sich als Angehöriger mit der Situation überfordert fühlt, sollte sich nicht scheuen, Rat und

Unterstützung bei spezialisierten Einrichtungen, Ärzten oder Selbsthilfegruppen zu suchen.

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